Seine Beine lassen sich nicht bewegen, auch seine Arme nicht. Als er den Mund versucht zu öffnen, spürt ein großes Objekt in seinem Mund. Ein Knebel. Er befindet sich also in Gefangenschaft. Erst da genehmigt sich Rordan die Augen zu öffnen, langsam und vorsichtig, um seinen Entführern nicht mitzuteilen, dass er bei Bewusstsein ist.
Der Raum ist dunkel bis auf ein Feuer, das in einer Esse brennt, welche er zu seiner Linken aus den Augenwinkeln erspähen kann. Er ist auf einen Tisch gebunden. "Fixiert trifft es wohl besser", denkt er zu sich selbst. Zu seiner Rechten erkennt er schwach die Umrisse einer weiteren an einen Tisch gefesselten Gestalt. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals in einer ungünstigeren Lage gewesen zu sein, abgesehen vielleicht von dem Massaker der Quecksilberdolche an seiner Bande.
Allerdings war er bei diesem auch nicht schon in Gefangenschaft gewesen und war auch bewaffnet gewesen.
Langsam kamen die Erinnerungen zurück, die Orkfestung am Düsterwald, die Gefangenschaft in dieser, die Prinzessin, welche er nach der Befragung durch die Orks kurz im Vorbeigehen sah, die angespannten Tage des Wartens, was passieren würde und schließlich der Schlachtenlärm vor der Festung.
Er hatte sich in seiner dunklen Zelle den irrigen Hoffnungen hingegeben, dass die anderen Mitglieder gekommen waren, um ihn zu retten, aber was für Gründe hatten sie denn schon ihm zu helfen? Er war nicht besonders lange bei ihnen gewesen und er hatte ihnen nichts zu bieten.
Als die Ritter des Grafen mit blutverschmierten Waffen und Rüstungen das Gefängnis der Orks betraten, wurde ihm erst bewusst, wie sehr er sich geirrt hatte. Nicht seine Retter, sondern seine Henker waren gekommen! Er erinnerte sich noch, dass ein Mann mit einem Rundschild den Raum betreten hatte, um ihn sogleich mit einem Hieb desgleichen auszuschalten.
Nun war er hier und wartete auf das sichere Ende. Ihm war bewusst, dass er so gut wie tot war. Er hoffte nicht auf Erlösung - Errettung durch eine heilige Hand. Er hoffte nur, dass das Sterben nicht zu lange ging und er möglichst schnell starb.
"Ein ehemaliger Verbrecher, über den nun ein viel schlimmerer Verbrecher richtet", schoss es ihm durch den Kopf und er hätte bitter gelacht, hätte er nicht den Knebel im Mund gehabt.
Er hört eine Tür sich öffnen, kann jedoch den Kopf nicht drehen, um zu sehen, wer sich in dem Eingang befindet. Das Licht, welches durch die offene Tür kommt, wirft einen langen Schatten auf ihn.
Mit festen aber entspannten Schritten nähern sich die Schritte und sie erscheinen ihm wie das Totentrommeln der Pauken bei einer Hängung. Die Schritte verklingen und er sieht die Gestalt Der Graf wie einen unheiligen Schatten über sich aufragen.
Der Graf schreitet weiter zu der Gestalt zu seiner Rechten.
Der Graf seufzt theatralisch und erhebt seine Stimme mit einer ruhigen, einstudierten Stimme, als wäre er ein Schauspieler, welcher einen einstudierten Text vorträgt: " Alexander ich hatte so große Hoffnungen für dich und deine kleine Gilde. Du warst ein wenig berühmt unter dem Pöbel, du warst ein ehemaliger Freund von Caesaon, welchen die Leute als Helden ansehen. Ihr solltet euch mit mir verbünden und die Stadt unter einem Banner vereinen, um die abscheulichen Kräfte aus dem Süden zu zerschmettern und Mûn zu beschützen. Stattdessen habt ihr euch von der Stadt und ihren Einwohnern abgewandt und das einfache Volk aufgewiegelt, mit marodierenden Orks paktiert und meine Ritter ermordet. Jetzt stehen wir geschwächt vor einem mächtigen Feind. Abertausende Menschen werden sterben und dabei deinen Namen und den Namen der Gilde verfluchen, während Chaos das Land heimsucht." Das verhasste Gesicht des Grafen verzieht sich zu einer boßhaften Grimasse:" Aber keine Angst, bis der Hass der Bewohner von Mûn ihren Siedepunkt erreicht, werden wir hier unseren Spaß haben."
Er schreitet zur Esse und zieht einen glühenden Dolch aus der Esse. Er hält ihn Rordan vor die Augen, welcher Aufgrund der plötzlichen Helligkeit und der Hitze die Augen zusammenkneifen muss.
Er wendet sich um und macht sich mit seiner freien rechten Hand am Knebel von Alexander zu schaffen.
Er stößt ein hämisches Lachen aus, "Weg mit dem Knebel, ich will dich Schreien hören!"
Rordan schließt die Augen im Wissen was nun kommt. Das nächste was er wahrnimmt, sind das Zischen von Fleisch und Blut, als eine heiße Klinge auf sie trifft, der beißende Geruch von verbranntem Fleisch und das Schreien von Alexander.