Ich weiß nicht einmal mehr genau, wann das angefangen hat, wann der erste Kranke zu meiner Mutter kam. Ich weiß nur noch, dass binnen kürzester Zeit immer mehr Leute krank wurden, immer mehr die gleichen Symptome zeigten. Und die Erkrankten haben allesamt einen klaren Verlauf. Erst klagen Sie über Schwindel, dann können sie ihre Augen nicht mehr korrekt fokussieren und verlieren Stück für Stück ihr Augenlicht, doch bevor sie komplett erblinden, fallen ihnen nach und nach die Haare aus, sie beginnen Blut zu spucken, bis sie alle relativ schnell danach sterben.
Meine Mutter war glücklicherweise schnell genug auf der Hut, sodass sie sofort eine separate Stätte für die Behandlung der Kranken eingerichtet hatte, weit genug weg vom Dorf, dass wir die Totgeweihten so schnell wie möglich von den anderen Dorfbewohnern trennen. kurzes ironisches Lachen Wir wissen nicht einmal, ob das überhaupt etwas bringt! Wir wissen noch nicht einmal, wie sich diese Krankheit verbreitet! Wir schützen unsere Atemwege, wir nähern uns einander nicht einmal mehr und wir bleiben von den Kranken so weit weg, wie es nur irgendwie geht. Wir verbrennen die Toten, falls das was sie dahingerafft hat, irgendwo in ihren Körpern steckt und uns noch aus dem Grab heraus heimsucht!
Seufzt. Nein, ich darf nicht weiter über die Verzweiflung nachdenken... Unsere Maßnahmen helfen. Die Menschen erkranken, das ist korrekt. Doch sie erkranken deutlich langsamer, die Symptome treten nicht so schnell auf, und zumindest einen Kranken konnte meine Mutter die letzten Wochen stabilisieren. Es tut mir leid, all diese Gedanken sind wie ein Strudel in meinem Kopf, die mich oft genug in diese Dunkelheit ziehen. Die Hoffnung für Aufbaln, für alle diese Leute und auch für meine Familie und mich, ist noch nicht verloren. Wir wissen vielleicht noch nicht, wie wir die Krankheit besiegen können, wie wir heilen können, was sie anrichtet, aber wir können nicht aufgeben. Nicht, solange wir nicht alles probiert haben.
Tiefer Atemzug. Bevor Ihr alle euch bereit erklären könnt zu helfen, sollte ich Euch auch von unseren Vermutungen und Theorien erzählen. Von dem was wir glauben, über diese Krankheit zu wissen. Dass sie tödlich ist habe ich vorhin ja bereits erzählt. Bisher war jeder, der sich damit infiziert hat dem Tode geweiht. Ich war seit einigen Tagen nicht mehr zuhause, deshalb weiß ich nicht, wie es derzeit aussieht, doch zum Zeitpunkt meiner Abreise gab es nur Tote. Der Verlauf ist immer der gleiche. Zuerst der Schwindel, dann der zunehmende Verlust des Sehsinns, gefolgt vom Haarausfall und dem Bluthusten. Von dem was mir meine Mutter erzählt, scheinen die inneren Organe der Kranken nach und nach ihren Dienst zu versagen, bis schließlich eines nach dem anderen, meist in einer schnellen Abfolge, komplett stirbt. Durch die Bemühungen meiner Mutter, der Heilerin, und aller Vorsichtsmaßnahmen, die wir derzeit ergriffen haben, sank die Geschwindigkeit, mit der sich die einzelnen Symptome zeigten, als auch die Anzahl der Infizierten.
Was wissen wir noch? Recht wenig, wenn ich ehrlich bin. Meine Mutter hat eine Theorie, woher die Krankheit kommen könnte, genauso wie unsere Dorfälteste auch, aber irgendwie glaube ich nicht daran. Meine Mutter vermutet, dass sich diese Krankheit durch Änderungen in der Landschaft bis zu uns ausgebreitet hat. Irgendetwas, ein faules Wesen oder ein giftiges Monster, könnte sich in unserer Umgebung niedergelassen haben und die Erde verdorben haben. Die Natur selbst also sei das Gift, dass sich durch unser Dorf schleicht und die Lebenden dahinrafft. Das ist eine durchaus plausible Erklärung, aber... meine Mutter ist nicht oft im Wald, nicht oft in der Natur, der sie die Schuld gibt.
Es ist richtig, dass nicht viel erblüht um uns herum, doch die Wälder sind zu fruchtbar wie noch nie, die Bäume so lebendig wie selten zuvor! Wenn irgendein monströses Wesen dort wäre, würde doch die komplette Natur darunter leiden, oder etwa nicht?
Nein, ich kann nicht daran glauben. Es ist nicht die Natur, die uns töten will. Wir leben mit ihr Hand in Hand, nehmen uns nur so viel, wie wir brauchen, und geben dem Land wieder zurück, was es selbst braucht. Diese ganze Krankheit, dieses ganze Unheil fühlt sich einfach... so fremd an. Als würde etwas von außen, mit unglaublich dunklen Gedanken, mit einer unglaublich bösen Energie, das Leben aus uns allen heraussaugen. Nicht nur diese Krankheit rafft uns dahin, auch unsere Hilflosigkeit und Unwissenheit. Wir werden nicht nur von dem kommenden Tod geplagt, sondern auch von der Machtlosigkeit in alle dem. Das kann nichts sein, was unserem Land entspringt. Das ist etwas Dunkleres, viel Mächtigeres.
Und wenn es etwas ist, dass einen lebendigen Körper hat, ob es nun diese giftige Bestie ist, die meine Mutter beschreibt, oder eine Kreatur der Dunkelheit, ist doch dann egal. Es lebt, und alles was lebt kann sterben. Doch weder ich noch sonst jemand in Aufbaln weiß, wie man kämpft. Wir überleben, weil wir nicht kämpfen, sondern pflegen. Nur in dieser Lage hilft uns unsere Pflege nicht. Wir brauchen Hilfe. Hilfe von jemandem, der bereit ist, zu verstehen, was uns plagt, was uns zerreißt, und der herausfinden kann, wie wir überleben können.
Ich bitte Euch also, wenn Ihr es irgendwo in Euch findet, helft mir! Helft Aufbaln, helft meiner Mutter! Wir zahlen Euren Preis, wie hoch er auch sein mag! Ich kann nicht für das ganze Dorf sprechen, aber wir brauchen Helden, jetzt mehr denn jemals zuvor, wir brauchen Leute wie Euch, die ohne zu zögern einer Fremden helfen. Helft uns, bitte!